Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) sorgt für ein juristisches Erdbeben in der österreichischen Glücksspielszene: Mit der Entscheidung 8 Ob 21/24g wurde klargestellt, dass Anbieter von illegalem Online-Glücksspiel nicht nur Spielverluste erstatten müssen – sie dürfen umgekehrt auch bereits ausgezahlte Gewinne von den Spielern zurückfordern. Diese historische Entscheidung stellt die bisherigen Regeln auf den Kopf. Wir erklären, was dahintersteckt und welche Folgen das für alle Beteiligten hat.

1. Der Fall: Worum ging es genau?

Im Zentrum des Verfahrens stand eine maltesische Firma, die in Österreich ohne die erforderliche Lizenz Online-Glücksspiele anbot. Eine Spielerin aus Österreich hatte über einen Zeitraum rund 21.928 € eingesetzt und sich daraus Gewinne in Höhe von 29.090 € auszahlen lassen. Ihr Nettogewinn betrug also 7.152 €.

Der Clou: Der Anbieter verklagte die Spielerin auf Rückzahlung dieses Nettogewinns und argumentierte, der zugrundeliegende Spielvertrag sei aufgrund der fehlenden Konzession ohnehin ungültig. Der OGH gab dem Anbieter recht und bestätigte die Forderung. Die Begründung: Der Vertrag verstößt gegen das Glücksspielgesetz (GSpG) und ist somit von Anfang an absolut nichtig.

Entscheidend war dabei auch, dass es laut Gericht keine Rolle spielt, ob der Anbieter von der Illegalität seines Angebots wusste oder nicht. Das ordnungspolitische Ziel des Gesetzes – die Eindämmung illegalen Glücksspiels – wiegt schwerer.

2. Die Logik des Gerichts: Warum ein illegaler Vertrag für beide Seiten nichtig ist

Die Argumentation des OGH folgt einer strengen juristischen Logik, die über den reinen Spielerschutz hinausgeht:

  • Absolute Nichtigkeit: Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist so zu behandeln, als hätte es ihn nie gegeben. Er ist von Anfang an unwirksam.
  • Folge ist die Rückabwicklung: Wenn kein gültiger Vertrag existiert, müssen alle erbrachten Leistungen zurückgegeben werden. Der Spieler kann seine Einsätze zurückfordern, der Anbieter im Gegenzug die ausgezahlten Gewinne.
  • Kein einseitiger Vorteil: Der OGH wollte verhindern, dass eine asymmetrische Situation entsteht, in der nur Spieler klagen können, während Anbieter auf ihren ausgezahlten Gewinnen sitzen bleiben. Ein solches Ungleichgewicht würde den Anreiz für illegale Angebote nicht ausreichend senken.
  • Der Zweck heiligt die Mittel: Das oberste Ziel des Glücksspielgesetzes ist es, den Markt zu regulieren und illegale Anbieter komplett auszuschließen. Diese harte Linie – so die Richter – sei notwendig, um diesen Zweck zu erfüllen.

3. Ein juristisches Erdbeben: Die weitreichenden Folgen des Urteils

Diese Entscheidung hat massive Auswirkungen auf den gesamten Markt und verändert die Spielregeln für alle:

  • Für Spieler: Gewinne sind nicht mehr sicher. Bisher konnten Spieler davon ausgehen, dass Gewinne bei illegalen Anbietern zumindest sicher sind. Diese Annahme ist nun hinfällig. Wer bei einem nicht lizenzierten Casino gewinnt, muss damit rechnen, verklagt zu werden.
  • Für illegale Anbieter: Das Risiko steigt enorm. Das Urteil erhöht den Druck auf nicht lizenzierte Casinos erheblich und macht den österreichischen Markt für sie noch unattraktiver und gefährlicher.
  • Neue Klagewellen könnten drohen: Prozessfinanzierer und Anbieter könnten nun strategisch damit beginnen, Gewinner systematisch auf Rückzahlung zu verklagen.
  • Ruf nach Reform wird lauter: Das Urteil verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit einer klaren und modernen Regulierung des Online-Marktes, beispielsweise durch ein kontrolliertes Lizenzsystem.
  • Praktisches Hindernis bleibt: Auch wenn das Urteil klar ist, bleibt die Vollstreckung eine Hürde. Für einen Anbieter mit Sitz auf Malta ist es oft schwierig und kostspielig, ein Urteil gegen eine Privatperson in Österreich durchzusetzen.

4. Was noch unklar ist: Die Grenzen der neuen Regelung

Trotz der klaren Ansage des OGH bleiben einige Fragen offen:

  • Internationale Durchsetzbarkeit: Wie effektiv können ausländische Firmen ihre Forderungen in Österreich vollstrecken?
  • Geltungsbereich: Gilt das Urteil gleichermaßen für alle Spielarten wie Slots, Poker oder Sportwetten? Die Entscheidung bezog sich allgemein auf illegales Online-Glücksspiel.
  • Verjährung: Welche Fristen gelten für die Rückforderungen der Anbieter? Die absolute Nichtigkeit eines Vertrages hat hier weitreichende Folgen.

Fazit: Ein Game-Changer mit Signalwirkung

Das OGH-Urteil 8 Ob 21/24g ist mehr als nur eine juristische Randnotiz – es ist ein Wendepunkt. Es schafft eine neue Realität, in der das Spielen bei illegalen Anbietern nicht nur mit dem Risiko des Verlusts, sondern nun auch mit dem Risiko der Rückzahlung von Gewinnen verbunden ist. Für den österreichischen Glücksspielmarkt bedeutet dies eine massive Stärkung der Position des legalen, lizenzierten Angebots und einen weiteren schweren Schlag gegen den Schwarzmarkt.