Lootboxen – virtuelle Schatzkisten im Spiel – sind längst mehr als harmlose Zusatzfunktionen. Sie stehen im Zentrum einer juristischen und gesellschaftlichen Debatte: Sind sie Glücksspiel oder Teil des Spieldesigns? Österreich liefert hier ein besonders spannendes Beispiel, das bald den Obersten Gerichtshof beschäftigen wird. In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Urteile, internationale Vergleiche, die Risiken für junge Spieler und was die Branche erwartet.

1. Der Fall Kärnten: Erster juristischer Paukenschlag

Im Jahr 2023 entschied das Bezirksgericht Hermagor erstmals, dass die FIFA-Lootboxen (FUT-Packs) als illegales Glücksspiel einzustufen seien. Ein Spieler hatte Sony auf Rückzahlung verklagt – mit Erfolg. Sony musste dem Kläger mehrere hundert Euro erstatten, da die Packs als „Ausspielung gegen Entgelt und Zufall“ gewertet wurden. Dieses Urteil löste eine Welle weiterer Klagen aus und markierte den Start einer breiten rechtlichen Diskussion über den Umgang mit In-Game-Käufen.

2. Der Weg nach Wien: Urteil, Widerspruch, OGH-Anrufung

Nach der Entscheidung in Kärnten urteilte auch ein Wiener Gericht, dass FIFA-Lootboxen ohne österreichische Glücksspielkonzession angeboten wurden. Sony und EA sollten laut Urteil einem Spieler über 10.000 Euro zurückzahlen. Diese Entscheidung wurde später vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben: Nach Ansicht des OLG sei nicht eindeutig belegt, dass Lootboxen Glücksspiel im engeren Sinn darstellen. Damit bleibt die Rechtslage vorerst ungeklärt.

Nun liegt der Fall beim Obersten Gerichtshof (OGH). Die Entscheidung wird für 2025 erwartet – sie könnte richtungsweisend sein und erstmals eine klare juristische Linie für digitale Glückselemente in Spielen ziehen.

3. Belgien, Niederlande & Co: Europa im Vergleich

Andere Länder sind bereits weiter. In Belgien werden Lootboxen seit 2018 offiziell als Glücksspiel eingestuft und dürfen nur unter bestimmten Auflagen angeboten werden. Die Niederlande gingen einen ähnlichen Weg, mussten jedoch nach mehreren Klagen Teile der Regelung zurücknehmen. In Deutschland und Großbritannien läuft die Debatte noch – dort werden Lootboxen meist als „jugendschutzrelevant“, aber nicht als Glücksspiel im rechtlichen Sinn behandelt.

4. Risiken & Chancen im Überblick

Risiken:

  • Zufallsmechaniken und Belohnungsreize ähneln Glücksspiel und können Suchteffekte auslösen.
  • Vor allem Minderjährige sind gefährdet, da sie oft nicht erkennen, dass sie reales Geld einsetzen.
  • Intransparente Drop-Rates und unklare Gewinnwahrscheinlichkeiten erschweren Kontrolle.
  • Rechtsunsicherheit für Konsumenten: Rückerstattungen sind aktuell nur in Einzelfällen möglich.

Chancen & Argumente der Anbieter:

  • Lootboxen seien Teil des Spieldesigns und nicht zwingend mit Echtgeld verbunden.
  • Viele Gegenstände hätten keinen marktfähigen Wert und könnten daher nicht als Glücksspiel gelten.
  • Eine EU-weite Regulierung könnte Rechtssicherheit schaffen und Grauzonen beseitigen.

5. Was bedeutet das für Spieler, Eltern & Anbieter?

Der Ausgang des OGH-Verfahrens wird weitreichende Folgen haben. Sollte der Oberste Gerichtshof Lootboxen als Glücksspiel einstufen, müssten Anbieter ihre Monetarisierungsmodelle anpassen oder mit Konzessionspflichten rechnen. Eine gegenteilige Entscheidung könnte die bestehenden Modelle legitimieren – allerdings wohl unter verschärfter Beobachtung von Konsumentenschutz und Jugendschutzbehörden.

Für Content-Projekte und Medien lohnt sich ein genauer Blick auf die weitere Entwicklung: Vergleiche, Erklärstücke und Infografiken zur rechtlichen Lage, zu Risiken für Minderjährige und zur europäischen Perspektive sind besonders relevant und teilenswert.


Quellen

  • Bezirksgericht Hermagor, Urteil 2023 – Rückerstattungspflicht für Sony wegen FIFA-Lootboxen.
  • Landesgericht Wien, Urteil 2023 – Rückzahlungen an Spieler wegen konzessionslosem Glücksspiel.
  • Oberlandesgericht Wien, Beschluss 2024 – Aufhebung des Urteils, OGH-Anrufung für 2025.
  • Berichterstattung: ORF, MeinBezirk, GamesWirtschaft, Rechteasy, Futurezone (2023–2024).
  • Belgische Glücksspielkommission – Bericht zu Lootbox-Regulierung (2018–2024).
  • Niederländischer Raad van State – Entscheidung zu Lootboxen als Teil von Videospielen (2022).
  • Analysen zu Jugendschutz & Monetarisierung: Studien der Europäischen Glücksspielkommissionen und diverser Verbraucherschutz-Institute.